Mein Reisetagebuch – Bayrischer Wald – Februar 2001

Montag, 05.02.2001

Jahrelang waren die Berge für mich als Ski-Muffel im Winter tabu. Meterhoher Schnee machte selbst normaleWanderungen unmöglich. In den letzten Jahren hat sich jedoch das Gehen mit Schneeschuhen abseits der Skiszene immer mehr durchgesetzt, sogar Snowboarder können sich für die Anstiege zu ihren Abfahrten mit den gar nicht so neuen Hilfsmitteln anfreunden. 
Ob das auch was für mich sein könnte? Nun ja, eine leichte Region für den Einsteiger sollte es ja auch sein. Da passte das neue Angebot des Summit Club mit der Tourenwoche im Bayerischen Wald gut ins Bild. Zudem kannte ich die Führerin (sorry, es heißt ja Groupleader- oder innerhalb von  Deutschland doch nicht?) ja noch von meiner letzten Tour. Was sollte da schon schiefgehen. 
Nun ja. die Anfahrt war nicht so toll. 700 km Dauerregen bringen keine Hochstimmung mit sich. Und dann noch die Namen der Orte – Regensburg, Regen, Landkreis Regen. Was soll man da auch erwarten? Aber der Wetterbericht gelobte immerhin Besserung für den Wochenverlauf.

Die nächste Überraschung erwartete die Gruppe schon beim Treffen am Ankunftsabend – unsere Führerin war in den Schweizer Bergen eingeschneit. Aber fachkundige Führung wurde uns trotzdem zuteil. Astrid’s Mutter Uli sprang kurzerhand ein und übernahm zwei Tage lang charmant und ortskundig die schwere Aufgabe, uns Neulinge in die “Kunst” des Schneeschuhgehens einzuweihen und gleichzeitig die Schönheit des Nationalparks Bayerischer (Regen-)Wald  näherzubringen.

Der erste Tourentag brachte uns von der Sagwassersäge bei leichtem Regen überraschend leicht aufwärts durch den tief verschneiten Wald. Nachdem ich zu Anfang mir noch mehrmals selber auf den Schneeschuhen stand, gab sich auch das recht schnell.

Schnell ging es aufwärts und wir erreichten die Unterstandshütte am Tummelplatz. Der Versuch des Gipfelsturms am Großalmeyerschloss wurde aufgrund des Wetters dann doch abgebrochen. Die Brotzeit in der Unterstandshütte lockte da doch eher.

Durchnässt aber durchaus zufrieden mit den ersten Gehversuchen stiegen wir dann hinab nach Finsterau, wo noch der Besuch des Freilichtmuseums anstand. Beeindruckend, in welchen Verhältnissen die Menschen noch vor einigen Jahren lebten. Die recht niedrigen Decken und Türen machten besonders Gerd zu schaffen, der eindeutig nicht von den Waldlern abzustammen scheint.Der Anruf von Astrid, die gesund aus dem Schnee zurückgekommen war, ließ auch die besorgte Uli wieder etwas fröhlicher dreinschauen. Die erste gelungene Tour ließ auch beim gewohnt guten Abendessen im Draxlerhof alle kräftig zuschlagen, wobei Michael es immer wieder schaffte, alle anderen in den Schatten zu stellen. Das Leben ist halt ungerecht  – einige können essen und essen und ich nehme zu. 
Der weitere Abend konfrontierte mich dann noch mit einem Kindheitstrauma. Ein Gast spielte auf dem Akkordeon auf und brachte altes deutsches Stimmungs-Liedgut zum Gehör. Einigen Mitgliedern unserer Gruppe gefiel dies recht gut, so dass sie kräftig mitsangen. Gerhard, unser Jägersmann, und Michael, der Pfadfinder und Bücherwurm, fühlten sich dabei sichtlich wohl. 

Dienstag, 06.02.2001

Frühling versprach der Wetterbericht für heute. Na ja, es war nebelig und leichter Regen. Aber trotzdem brachen wir frohen Mutes vom Draxlerhof auf in die Wälder, die vom Hausberg Lusen herunterziehen. Der Lusen war dann auch das Tagesziel, wo bei guter Sicht die nahen Alpengipfel wie Dachstein oder Watzmann grüssen. Immerhin war der Regen schon etwas wärmer geworden, was ja noch hoffen ließ. An der Martinsklause wurde eine erste Rast gemacht, bei der Michael seine Brotzeitvorräte schon gefährlich schrumpfen ließ. Mit der neuen Kraft spurten dann Gerhard und Michael hinauf durch das Teufelsloch zum Lusenparkplatz, dessen Zufahrt im Winter gesperrt ist. 
Von hier ging es auf geräumten Wegen hinauf zum Schutzhaus kurz unter dem Gipfel. Und hier geschah auch das Wunder – der Wetterbericht behielt  Recht und die Sonne kämpfte sich durch den Nebel. Innerhalb weniger Minuten wurde es frühlingshaft warm und wir kamen heftig ins Schwitzen. Dann kam der für mich immer wieder traurigste Anblick auf einer Bergtour – eine geschlossene Hütte. 
Aber wenige Meter weiter wurden wir vom Lusengipfel mit der versprochenen Aussicht entschädigt, so dass die mitgebrachte Brotzeit durchaus reichte. Auch Michael musste nicht hungern und wurde von dem einen oder anderen mit durchgefüttert. 
Durch verschneite Wälder, in denen immer wieder weite Teile durch den Borkenkäfer-Befall vergangener Jahre wie ein Schlachtfeld wirkten,  ging es dann nach ausgiebiger Pause zielstrebig hinab ins Tal, wo uns Astrid schon erwartete. 
Beim abendlichen Essen wurden wir dann auch im Draxlerhof wieder bestens  versorgt wobei auch Michael durch verschiedene Zuwendungen der anderen Gruppenmitglieder satt wurde.

Mittwoch, 08.02.2001

Nach einem herrlichen Sonnenuntergang am Vortag erwartete uns ein richtiger Frühlingstag. Mit dem Bus ging es hinaus ins tschechische  Grenzgebiet, wo wir hinauf zum Dreisessel stiegen. Steil ging es zuerst durch verharschten Schnee bis wir am Gipfel wieder auf die Zivilisation stiessen. 
Die letzten Meter zum sagenumwobenen Gipfel ging es über vereiste Stufen hinauf, wo ein toller Blick über den Böhmerwald bis hin zu den Alpen wartete. 
Nach der erfolgreichen Eiskletterei folgte das nächste Abenteuer – wir durften alle mal Spuren und für kurze Zeit die Gruppe führen. Entlang der deutsch-tschechischen Grenzmarkierung legten besonders Peter und ich eine  fast perfekte Spur und ließen uns auch von kleinen Ablenkungsmanövern der Gruppe nicht aus dem Takt bringen.

Am Dreiländereck gab es eine gemütliche Brotzeit und die einmalige Möglichkeit, sich beim Pieseln ein Land aussuchen zu können. 
Vorbei an den verschneiten Felsblöcken des Steinernen Meeres (nicht zu verwechseln mit dem in Österreich) ging es hinab zum Rosenberger Gut, wo uns zum Abschluss in einem schönen Lokal Schmankerln wie Apfelstrudel oder Weißbier serviert wurden. 
Dermaßen gestärkt wurden einige schon wieder übermütig und überbrückten die Wartezeit auf den Bus mit einer intensiven Schneeballschlacht. 
Am Abend folgte dann nach dem üblich guten Essen ein besonderes Highlight. Astrid erzählte mit einem Diavortrag von ihren Reisen in den Himalaja. Mit wunderbaren Aufnahmen von Uli und interessanten Informationen verging die Zeit wie im Fluge und bei dem einen oder anderen wurde das Fernweh geweckt.

Blick über die verschneite Landschaft vom Dreisessel       
Im Grenzgebiet

Donnerstag, 09.02.2001

Heute stand der zweithöchste Gipfel des Bayerischen Waldes auf dem Programm, der Rachel. Vom Gfällparkplatz bei Spiegelau ging es durch teilweise stark ausgeaperte Waldwege hinauf. An einigen Stellen mussten wir sogar die Schneeschuhe ausziehen. Danach ging es jedoch zügig aufwärts zum verschneiten Rachelsee. Zur Belohnung, weil wir so gut vorangekommen waren, wählte Astrid den längeren und beschwerlicheren Aufstiegsweg über die Rachelkapelle. Bei weiterhin frühlingshaftem  Wetter wurde so mancher Schweißtropfen vergossen bevor wir das herrliche Panorama vom 1.453 m hohen  Gipfel bei ausgiebiger  Brotzeit genießen konnten. Sowohl beim Auf- als auch beim Abstieg begegneten uns einige Fußgänger,deren mühsames Fortkommen im tiefen Schnee wir jedoch nur belächelten.

Beim Abstieg nach Frauenau wurde der Schnee jedoch immer weniger so dass wir gezwungen waren, die Schneeschuhe auszuziehen. Auf teilweise vereisten  Wegen war der Abstieg dann kein Vergnügen mehr. Bei einem Kaffee oder Tee (und natürlich auch Weißbier) im nahen Wirtshaus waren die Anstrengungen  jedoch schnell wieder vergessen.

Nach dem Abendessen hatte ich dann ein deja vu  – der gleiche Gast vom Sonntag kam mit dem gleichen Akkordeon und spielte die gleichen Lieder. Man  kann halt nicht immer gewinnen.

Die Rachelkapelle        
Am großen Rachel

Freitag, 10.02.2001

Der Wetterbericht hatte schon länger mit dem Ende des schönen Wetters gedroht. Jetzt war es Wirklichkeit geworden. Dichte Nebelschwaden begleiteten uns auf dem Weg Richtung Zwiesel. Dass unser Startort Buchenau im Landkreis Regen liegt, ist hoffentlich nur ein Zufall. Ansonsten sollte man diese Tour eventuell in andere Regionen legen. Jedenfalls ging es bei beständigem Zwieseln (pardon, Nieseln) aufwärts zum Lindberger Schachten, einer schönen Wiese, von der aber wegen des Wetters wenig zu sehen war. 
Nach einer ausgiebigen Brotzeit unter einem Baum  ging es dann durchnässt wieder hinab nach Buchenau, wo wir aufgrund der kurzen Tour sogar Zeit für ein deftiges Mittagessen hatten. 
Danach brachte uns der Bus noch zum Bayerwald-Informationszentrum Hans-Eisenmann-Haus,wo wir einiges über den Nationalpark in Bild und Ton erfahren  konnten. 
Am Abschlußabend erwarteten uns noch einige Überraschungen. Die für viele Grösste war die Tatsache, dass Michael seinen Teller nicht leer essen konnte und das trotz der hervorragenden Semmelknödel mit Schwammerln. Nach einem Bärwurz kehrte aber auch Michael schnell wieder unter die Lebenden zurück. 
Dann kam die eigentliche Überraschung – eine zünftige Waldlermusik stand an. Dazu war eigens Astrid’s Vater mit einigen Freunden aus Waldkirchen angereist. Nach einem Ständchen mit Alphörnern vor der Pension ging es dann so richtig zünftig los und bei guter Stimmung wurde der Abend noch lang.

Mit einer rundum gelungenen Woche konnten wir das Interesse am Schneeschuhwandern vertiefen, ein wenig mehr über den Nationalpark Bayerischer Wald erfahren, liebe Menschen kennenlernen und viel Spaß haben.

Vielen Dank allen daran Beteiligten. Vielleicht sehen wir uns ja auf der einen oder ander Tour wieder.